WAHL zwischen ALT und ALT-NEU

In ein paar Tagen wird in Deutschland gewählt. Und jetzt, wie es übrigens auch früher war, wissen wir alle: Es ändert sich kaum was.

Denn Deutsche mögen ihre eingestandene Ordnung zu sehr, und überhaupt mögen sie es bequem. Das hat auch unter anderem ein so genanntes «TV-Duell» zwischen 2 Herausforderern,  2 Seiten einer deutschen Medaille, deutlich gezeigt: sie unterschieden sich kaum von einander.

Aber vielleicht wissen andere Nationen besser, was und wie es etwas in Deutschland zu ändern gilt?

Auf der Suche nach dieser Antwort bin ich auf die Homepage der «Deutschen Welle» gestoßen, jener Institution, die sich im Auftrage des Deutschen Staates auf der ganzen Welt um einen guten Ruf Deutschlands sorgt.

Im Vorfeld der Bundestagswahlen in  Deutschland  wurden dort aktuelle Stellungsnahmen europäischer Politiker und Intellektueller publiziert.

Und obwohl diese Auswahl von der Deutschen Welle mit Acht auf ein günstigeres Licht auf Deutschland in der Weltarena getroffen worden ist (lies: mit Propagandazwecken),es läßt sich doch, einiges durchblicken. Was sofort ins Auge sticht, sind die verwirrenden Schlagzeilen dieser Berichte. Denn in Ihrer Konstellation widerspricht eine Behauptung der anderen. Wenn ich mich nicht irre, dann nennt man so ein Wirrwarr von Meinungen zu einem Thema im westlichen Journalismus «Meinungsfreiheit».

Aber lesen Sie besser selbst diese Schlagzeile:

Deutschland ist unser Vorbild

Bevor Sie aber übereilt auf dieses Vorbild stolz sind, lesen Sie die zweite Behauptung, wo direkt behauptet wird: „ Deutschland bräuchte Mut.“

Moment, ein Vorbild braucht normalerweise keinen Mut!

Dem widerspricht schon wieder die nächste Behauptung:

„Deutschland braucht ein stärkeres Europa.“

Und dann kommt etwas sehr negatives mit dieser Behauptung auf Deutschland zu:

„Deutschland wiegt sich in falscher Sicherheit.“

Aber nun endlich konkret zu dem, was andere im Vorfeld der deutschen Wahl über Deutschland, Deutsche und die deutsche Politik meinen.

Nun der Artikel unverändert und in der gleichen Reihenfolge, in welcher er veröffentlicht wurde.

Ana Brnabi : Deutschland ist unser Vorbild

Q: «http://www.dw.com/de/ana-brnabić-deutschland-ist-unser-vorbild/a-40510101″ćHYPERLINK «http://www.dw.com/de/ana-brnabić-deutschland-ist-unser-vorbild/a-40510101»: «HYPERLINK «http://www.dw.com/de/ana-brnabić-deutschland-ist-unser-vorbild/a-40510101″Deutschland ist unser VorbildHYPERLINK «http://www.dw.com/de/ana-brnabić-deutschland-ist-unser-vorbild/a-40510101″»

 

Ana Brnabić, parteilos, ist seit Juni 2017 Premierministerin Serbiens. Sie studierte Betriebswirtschaftslehre in den USA und in Großbritannien. International wurde ihre Wahl mit großem Interesse verfolgt, auch weil BrnabiHYPERLINK «http://www.dw.com/de/serbiens-offen-homosexuelle-regierungschefin/a-39270277″ć aus ihrer gleichgeschlechtlichen sexuellen Orientierung kein Geheimnis macht.

Ana Brnabić wird die erste Premierministerin in der Geschichte Serbiens. Sie ist jung, cool — und offen homosexuell. Das ist in dem Balkanland eine Sensation.

Unterstützung aus Deutschland

Meine Leitgedanken dabei sind Entwicklung, Innovation, eine effiziente Verwaltung und Respekt für Menschen- und Minderheitenrechte sowie die Werte einer modernen Gesellschaft, wie sie in der EU und vor allem in Deutschland anzutreffen sind. Angesichts der Qualität der Beziehungen, die wir in den vergangenen Jahren aufgebaut haben, bin ich davon überzeugt, dass Serbien bei der Umsetzung von Reformen, bei der Frage der Verbesserung der Beziehungen in der Region sowie auf dem Weg zur EU-Mitgliedschaft auf die Unterstützung von Freunden aus der EU und Deutschland zählen kann.

Für viele Menschen in Serbien ist Deutschland ein Beispiel für einen idealen Staat, nicht nur aus ökonomischer, sondern auch aus gesellschaftlicher Sicht. S

Serbien und Deutschland haben eine lange Tradition wirtschaftlicher und kultureller Beziehungen, und unsere politischen Beziehungen entwickeln sich ständig weiter. Dies zeigen die Treffen meines Vorgängers Aleksandar Vučić mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel, sowie meine Begegnung mit ihr während des Gipfels der Westbalkanstaaten in Triest. Bestätigte dieses Treffen doch, dass wir ähnlich über die Zukunft unserer beiden Länder und Gesellschaften denken. Merkel zeigte politische Kraft und Vision, als sie über die Veränderungen sprach, die jeder Staat umsetzen muss, wenn er Zukunftsperspektiven für seine Bürger schaffen will.

Guy Verhofstadt:Deutschland braucht Mut!

 

Guy Verhofstadt, 64, ist belgischer Politiker der Flämischen Liberalen und Demokraten (Open Vld) und seit 2009 Mitglied des Europäischen Parlaments. Dort führt er die liberale Fraktion an. Von 1999 bis 2008 war er Premierminister Belgiens. Seit 2016 ist er Chefunterhändler des Europäischen Parlaments für die Austrittsverhandlungen mit Großbritannien.  

Deutschland spielt in Europa eine wirtschaftlich, historisch und geografisch herausragende Rolle. Damit hat das Land eine besondere Verpflichtung für die EU, meint der Europa-Abgeordnete und frühere belgische Premier.

Ich hoffe, dass Deutschland, zusammen mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, eine Führungsrolle übernimmt und beherzt genug agiert, um nicht nur einzelne, kleine Reformen, sondern eine Erneuerung der EU anzugehen. Doch dafür bedarf es Mut. Dafür bedarf es Willen. Dafür bedarf es Handlungen.

«Seit dem Fall der Mauer ist Deutschland bequem geworden»

Deutschland war schon einmal in der Lage, diesen Mut, diesen Willen und diese Handlungsbereitschaft aufzubringen. Nach dem Zweiten Weltkrieg war es treibender Motor der europäischen Einigung, hat unermüdlich gekämpft und investiert, um die Wiedervereinigung von Ost und West zu ermöglichen, zu dessen buchstäblichen Austragungsort und Symbol es wurde. Doch seit dem Fall der Mauer ist Deutschland bequem geworden. Die EU ist seit 70 Jahren unser Garant für Frieden und Wohlstand. Aber es wäre naiv zu glauben, wir könnten uns darauf ausruhen.

 

Viviane Reding: Deutschland braucht ein stärkeres Europa

 

Die Luxemburgerin Dr. Viviane Reding sitzt als Abgeordnete der Europäischen Volkspartei im Europaparlament. Von 2010 bis 2014 war sie Vizepräsidentin der Europäischen Kommission und Kommissarin für das Ressort Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft.

Deutschland geht es gut kurz vor dieser Bundestagswahl. Seine Wirtschaft ist Modell für seine Nachbarn. Seine Energiewende und seine Flüchtlingspolitik verlangen Respekt. Angela Merkel hat Führungsstärke bewiesen. Bei den jüngsten Gipfeltreffen der G7 und der G20 war die Kanzlerin die am längsten amtierende Regierungschefin. Während sich die USA und Großbritannien zurückziehen, sich Frankreich und Italien auf einem langsamen Erholungskurs befinden, Russland und die Türkei ins Autoritäre abgleiten (gefolgt von Polen und Ungarn) und China und Indien weiter aufsteigen, wird der nächste Bundeskanzler oder die nächste Bundeskanzlerin vor beispiellosen Herausforderungen an allen Fronten und damit auch vor wachsenden Aufgaben stehen. Sowohl innerhalb als auch außerhalb Europas herrscht allerorten Instabilität. Wir waren von Freunden umgeben, jetzt sind wir eingekreist. Selten war die Notwendigkeit so zwingend, gemeinsam europäisch zu handeln.

Angela Merkel hat aus Deutschland, einst der kranke Mann Europas, innerhalb von zehn Jahren einen Wachstumsmotor gemacht. Jetzt muss Berlin Brüssel dabei helfen, dass sich Europa nicht nur wirtschaftlich erholt, sondern zu einem Stabilitätsanker in der Welt wird. Je stärker Europa, desto stärker ist Deutschland, und umgekehrt. Dazu wird Führung gebraucht!

 

Yanis Varoufakis: Deutschland wiegt sich in falscher Sicherheit…

 

Yanis Varoufakis war 2015 für sechs Monate Finanzminister im Kabinett des griechischen Ministerpräsidenten Tsipras. Der Professor der Wirtschaftswissenschaften galt während und auch nach seiner Amtszeit als einer der heftigsten Kritiker der deutschen Sparpolitik. Varoufakis, 56, isAt mehrfacher Buchautor und aktiver Blogger.

Selbstgefälligkeit ist der ärgste Feind eines Landes. Meine Landsleute sonnten sich einmal in dem falschen Glauben, «es geschafft zu haben». Das war natürlich eine Illusion, für die wir heute teuer bezahlen. Ich fürchte sehr, dass eine Mehrheit in Deutschland ebenso unter der gefährlichen Illusion leidet, dass es in Deutschland «gut läuft».

Der laue Wahlkampf spiegelt die falsche Gewissheit wider, die Deutschlands drei Überschüsse erzeugt haben: Die Unternehmen sparen, die privaten Haushalte sparen, die Frankfurter Banken schwimmen in dem Geld, das ihnen aus anderen europäischen Ländern zufließt. Sogar der Bundeshaushalt ist im Plus. Doch diese Überschüsse sind ein Zeichen von Schwäche, nicht Stärke. Sie sind die Vorboten von großen Härten, die die meisten Deutschen jetzt und in Zukunft zu erleiden haben werden.

Deutschland braucht eine offene Debatte unter seinen Bürgern über die Frage, wie man mit der Bedrohung umgehen soll, die die Überschüsse heute für die deutsche Gesellschaft bedeuten

 

Wossen Asserate: Wenn Deutschland Afrika wirklich helfen will…

Prinz  Asfa-Wossen Asserate ist ein Mitglied des ehemaligen äthiopischen Kaiserhauses, der seit über 40 Jahren in Deutschland lebt. Er ist Unternehmensberater für Afrika und den mittleren Osten, Bestsellerautor und politischer Analyst. Neben vielen literarischen Preisen und Auszeichnungen wurde ihm 2016 das Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland verliehen.

 

Deutschland sollte auf der einen Seite seine traditionelle Willkommenskultur beibehalten und auf der anderen Seite sich aber der Realität der Fluchtursachen stellen. Dass nämlich die größten Exporteure von Migranten auf dieser Welt die afrikanischen Gewaltherrscher sind, die ihren Völkern keine Möglichkeit geben, in ihren eigenen Ländern ein menschenwürdiges Dasein zu führen. Dank der Appeasement-Politik des Westens seit nunmehr 50 Jahren werden diese Diktatoren mit milliardenschweren Zuschüssen von den Steuergeldern der Europäer alimentiert.

Wenn Afrika eine Zukunft haben soll, muss Europa aber vor allem von seiner desaströsen Wirtschafts- und Handelspolitik Abschied nehmen. Es muss endlich damit aufhören, seine Agrarindustrie auf Kosten der Entwicklungsländer zu subventionieren. Und es muss endlich darauf drängen, dass wirksame internationale Maßnahmen gegen das weltweite Landgrabbing getroffen werden. Denn das beraubt die armen Länder der Welt ihres wertvollsten Gutes — ihres landwirtschaftlich nutzbaren Bodens. Afrika benötigt eine breit angelegte Förderung der bäuerlichen Landwirtschaft und den Stopp der Einfuhr von Dumpingprodukten, die den örtlichen Produzenten das Wasser abgraben.

Auch die besten Absichten können fatale Wirkungen haben: Kostenlose Lebensmittelhilfe des Westens zerstört den Markt für die örtliche afrikanische Landwirtschaft. Viel zu oft erreichen die Entwicklungsgelder nicht diejenigen, für die sie bestimmt sind — vor allem, wenn sie als direkte Budgethilfe überwiesen werden. In den Händen der herrschenden Kleptokraten wird das Geld zum Instrument des Machterhalts und liefert das Schmiermittel für die grassierende Korruption.

 

Fritz Breithaupt: Deutschland braucht Goethes Faust

 

Fritz Breithaupt, geboren 1967 in Meersburg am Bodensee, lebt seit seinem Studium in den USA und ist Professor an der Indiana University Bloomington. Forschungsschwerpunkte des Kultur-, Literatur- und Kognitionswissenschaftlers sind Empathie, Narration und die Goethe-Zeit.

Die Zukunftsfragen sind ungeklärt

Die großen Fragen bleiben offen: Wie werden wir in Zukunft leben? Als Freizeitmenschen oder als Arbeitgeber der Roboter? Als Träumer oder als Sinnstifter? Als Verteidiger unseres Wohlstandes oder als Mitglieder der globalen Welt?

Für Goethes Faust war Verweilen keine Option:

«Werd ich zum Augenblicke sagen:
Verweile doch! du bist so schön!
Dann magst du mich in Fesseln schlagen…»

Zweihundert Jahre nach Faust erblickt man das Schöne hingegen nur im Bestehenden. Eine Welt jenseits von Angela Merkel traut sich keiner zu denken. Daher wird auch nach der Wahl wirklich alles bleiben, wie es nie war.

Deutschlands Wahlkampf-Motto lautet: «Verweile doch, Du bist so schön.» Die Garantin des Verweilens heißt bekanntlich Angela Merkel. «Für ein Deutschland in dem wir gut und gerne leben», so der Werbeslogan der CDU. Übersetzt heißt das: Alles soll so bleiben, wie es nie war.

Entsprechend visionslos wird im Wahlkampf über Kita-Plätze und die Sicherung des Lebensstandards diskutiert. Für die kleine Welt einer modernen Kleinfamilie sind das echte Themen. Aber Politik muss vorausschauen auf die großen Aufgaben des Jahrhunderts.

 

Trügerische Sicherheit eines Übergangszeitraums

Deutschlands Wirtschaft profitiert derzeit von einem paradoxen Phänomen: Gerade weil vieles verschlafen wird, sind wir die Nutznießer des globalen Wandels. Denn wir haben festgehalten an vielen Tugenden der vordigitalen Zeit, die anderswo schon über den Haufen geworfen worden sind, aber für einen Übergangszeitraum noch gebraucht werden. Dazu gehören neben den klassischen und Ausbildung. Anderswo wurde schon umgestellt auf digitales Lernen und auf dynamische deutschen Stärken, wie etwa Ingenieurwesen, Handwerk und Logistik auch Kopfarbeit, Planung Karrieren voller Quereinstiege. Doch Deutschland führt in der digitalen Welt bezeichnenderweise nur in zwei Bereichen: im Pornographie-Konsum und in der regulierenden Gesetzgebung.

Zu unserem Glück hinkt die künstliche Intelligenz bisher aber fast allen Erwartungen hinterher. Schwein gehabt! Das paradoxe Hoch Deutschlands scheint das Verweilen zu legitimieren.

Man findet in den Programmen der meisten Parteien denn auch wenige Gedanken zur Zukunft. Statt die Gesellschaft als Ganzes umzustellen, sollen alle besser auf den verschärften Wettbewerb vorbereitet werden. Jeder Einzelne soll die Ausnahme der Umwälzungen sein. Faire Schulen, so die SPD, damit jeder eine Chance hat. Mehr Wettbewerb unter den Universitäten, so die FDP. Selbst beim bedingungslosen Grundeinkommen der Grünen weiß man nicht, ob es nach den Koalitionsverhandlungen das Ende des Sozialstaates einläuten wird und der Einzelne so wieder auf sich selbst verwiesen wird. Fazit querbeet: Jeder Einzelne soll sich weiter als der Auserwählte sehen, als der Harry Potter, der den immer unwahrscheinlicheren Absprung schafft und sinnvolle Arbeit findet. Verweilen wir. Entsprechend wird auch das Scheitern individualisiert.

 

Serhij Zhadan: Ohne Populismus und Doppelstandards

 

Serhij Zhadan (43) ist einer der bekanntesten ukrainischen Schriftsteller, Dichter und Musiker. Auch in Deutschland werden seine gesellschaftskritischen Bücher gelesen. Für sein Werk erhielt er zahlreiche Auszeichnungen. Zhadan engagiert sich auch in der ukrainischen Zivilgesellschaft, insbesondere im Konfliktgebiet der Ostukraine.  

Der ukrainische Schriftsteller und Musiker Serhij Zhadan fordert einen ehrlichen Dialog zwischen Deutschland und der Ukraine. Er kritisiert die Haltung einiger deutscher Politiker im Konflikt des Landes mit Russland.

 

Wir wünschen uns, dass die deutsche Politik auf den Prinzipien der Transparenz und Verantwortlichkeit basiert und nicht auf zweierlei Maßstäben oder dem Populismus.

Wir Ukrainer schauen auf Deutschland als Außenstehende. Und, ehrlich gesagt, können wir nicht immer verstehen, was wir sehen. Nun ja, unverständlich sind zum Beispiel die Versuche mancher deutscher Politiker, nach doppelten Standards zu spielen. Wir verstehen nicht die Haltung des Vorsitzenden der Freien Demokraten, Christian Lindner, der dazu aufruft, die Augen vor der Annexion des ukrainischen Staatsgebiets durch Russland zu verschließen. Unverständlich sind uns auch die Worte des deutschen Außenministers, Sigmar Gabriel (SPD), der während eines Besuchs in Russland und anlässlich eines Gesprächs zum Bau einer neuen Gasleitung beteuert, die Politik dürfe dieses Projekt nicht beeinflussen. Entsprechend wenig verständlich ist auch die Haltung des Altbundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD), der sich über das Angebot freut, einen wichtigen Posten im Direktorenrat des russischen Erdölkonzerns Rosneft zu übernehmen. Warum erscheinen uns diese Taten und Worte so irritierend und unakzeptabel?

Wahrscheinlich deswegen, weil deutsche Politiker und Geschäftsleute Möglichkeiten sehen, reales oder politisches Kapital aus dubiosen Abmachungen und offensichtlich populistischer Rhetorik zu schlagen. Wir Ukrainer sehen darin eine zynische und unverhohlene Unterstützung eines Aggressors und Besatzers, der tagtäglich unsere Mitbürger in einem Krieg tötet. Wie sollen wir darüber mit unseren europäischen Kollegen und Partnern reden, egal wie die Bundestagswahlen demnächst ausgehen werden?

Lizzie Doron: Deutschland heute steht für Freiheit, Gleichheit und Mitgefühl

 

Die israelische Schriftstellerin Lizzie Doron wurde 1953 in Tel Aviv geboren. Sie hat sieben Bücher geschrieben und diverse internationale Preise für ihr Werk gewonnen. Die beiden Bücher, die als erstes in Deutschland erschienen sind: «Who the Fuck Is Kafka», erschienen bei DTV 2014, sowie «Sweet Occupation», ebenfalls bei DTV in diesem Jahr 2017 verlegt.

 

Das Deutschland meiner Kindheit

Deutschland und ich, wir haben eine lange und komplexe Beziehung miteinander. In den 1950er-Jahren als Kind von Holocaust-Überlebenden im Staat Israel geboren, war Deutschland in meinem Leben von Geburt an immer präsent. Die Leute sagten, sie kämen aus der Hölle. Und diese Hölle war Deutschland.

Jegliches Produkt mit dem Aufdruck «Made in Germany» wurde sofort aus unserem Haus hinausgeworfen und sollte vom Erdboden verschlungen werden. Bei meinen Freunden zuhause war es genauso. Deutsch war eine verbotene Sprache und nach Deutschland zu reisen, stand damals ganz oben auf der Liste der Tabus. Trotzdem wurde meine Kindheit vom seltsamen Geflüster meiner Mutter begleitet. Das Geheimnis aller Geheimnisse: «Deutschland kennt auch andere Zeiten», «Deutschland ist eine Wiege der Kultur», «Nicht alle Deutschen sind schlecht», «Deutschland ist der Ort, an dem ich immer leben wollte.»

Sie schaffte es damit, mich zu verwirren und zu nerven.

«Aber ich habe doch ein Land», entgegnete ich ihr wütend.

«Zwei sind besser, und du brauchst zwei Heimats», lautete dann immer ihre Antwort.

Mein Deutschland heute

In jüngster Zeit ist mein Freundeskreis in Deutschland gewachsen. Ich schätze mich glücklich, neue Freunde zu haben, darunter auch ein syrischer Künstler, ein irakischer Autor, ein tunesischer Dramatiker, ein iranischer Architekt und ein griechischer Koch. An jedem Tag, den ich in Deutschland verbringe, treffe ich Menschen und höre Geschichten, auf die ich nur hier stoßen kann. Ich denke an die Tatsache, dass mein Sohn, der als Künstler nach Deutschland kam, hier auch seinen Platz gefunden hat. Und meine Tochter, die mit ihrer Partnerin in Israel lebt, mir sagte, dass sie in Deutschland heiraten werden, weil es hier erlaubt ist.

 

 

 

 

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *